Film ab - im Oktober!

Am Freitag, 24. Oktober 2014, 19.00 Uhr, wird der Film „Der Vorleser“  (USA/D 2008) gezeigt.

 

"Als der 15-jährige Schüler Michael (David Kross) einen Blackout hat, hilft ihm die wesentlich ältere Schaffnerin Hanna (Kate Winslet). Nach seiner Genesung entwickelt David eine erotische Leidenschaft für sie und liest ihr regelmäßig vor - bis sie eines Tages spurlos verschwindet. Viele Jahre später trifft David (nun: Ralph Fiennes) Hanna wieder: vor Gericht, wo sie sich für eine dunkle Vergangenheit verantworten muss. Seine Zuneigung besteht weiter.

Behard Schllinks internationaler Erfolgsroman, ein Stück deutscher Vergangenheitsbewältigung, findet zu brillanter Leinwandumsetzung von "The Hours"-Regisseur Stephen Daldry. Mit hochkarätiger britisch-deutscher Starbesetzung leuchtet das Drama Schuld und Vergebung aus." (www.kino.de)

"... Wie schon bei seiner Darstellung von Virginia Woolf in "The Hours" fixiert Stephen Daldry seinen Blick hier vor allem auf die psychisch invalide Hauptfigur. Aber so grandios Kate Winslet auch spielt: Ihre Verwandlung während zwanzig Jahren Haft von einer schönen, wenn auch bitteren Frau in eine zombiehafte Alte mit blutleeren Lippen hat etwas Enervierendes.


Genau hier liegt das Problem des Films. Im Buch blickt der Leser mit den Augen des verliebten Michael auf das mutmaßliche Monster Hanna. Das Dilemma, das sich für ihn daraus ergibt, ist sofort nachvollziehbar. Der Film jedoch, der auf die Erzählerrolle Michaels verzichtet, ersetzt diesen Blick des Verliebten, aus dem sich erst der moralische Konflikt erklärt, durch eine objektivere Perspektive - und verrennt sich dabei in eine fragwürdige Haltung.


Er presst dem Zuschauer mit unendlichem darstellerischen und inszenatorischen Aufwand Mitleid für die Massenmörderin ab, die sich in ihrer bundesdeutschen Zelle mühsam das Lesen beibringt. Dann aber lässt er ihn allein damit, wenn er beginnt, sich zu fragen, warum diese Frau ihre Haftstrafe nicht gründlich verdient haben soll. So verlässt man das Kino mit dem vagen Gefühl, emotional missbraucht worden zu sein, für eine bloße narrative Hypothese.

Dabei hilft es nicht, dass man nie Gelegenheit hat, hinter die versteinerten Züge Hannas zu blicken, die als Psychokrüppel irgendwann aufhört, einen wirklich zu interessieren. Und so unbefangen David Kross auch den charmant-unfertigen Michael spielt: auch dieser bleibt eine Chiffre, ein sympathischer Junge, doch was geht vor in ihm? Am schwächsten jedoch ist Ralph Fiennes als der von der Vergangenheit wie von einem Schatten verhangene, erwachsene Michael Berg. Kaum je heben die Personen zu wirklichem Leben ab.


Die Reaktion der amerikanischen Kritiker war denn auch zwiespältig. Das Branchenblatt Variety lobte die Qualität der Darsteller und die "glanzvolle" Produktion, aber moniert die "mangelnde Elektrizität trotz großer Bemühungen aller". Die Los Angeles Times bemängelte die formelhaften Szenen und Fiennes mangelnde Auslastung. Allein Kate Winslet rette den Film. Weiter geht Manolah Dargis in der New York Times. "Umständlich" und "auf skrupulöse Weise geschmackvoll" nennt sie den "Vorleser", bevor sie zu einem vernichtenden Urteil ausholt: "Wer braucht einen weiteren Film, der die Schrecken des Holocausts mit kunstvoll vergossenen Tränen salbt und uns um Mitleid für eine Lageraufseherin bittet?"

Schon der Roman habe vor Selbstmitleid gestrotzt, schreibt sie weiter. Dem Film gehe es nun weder um den Holocaust, noch um die Generation, die sich mit ihm auseinanderzusetzen hatte: "Das Publikum soll sich wohlfühlen mit einer historischen Katastrophe, die mit jeder neuen stilvollen Interpolation schwächer erscheint". Auch der New Yorker goss Häme über die tränenreiche Vergangenheitsaufbereitung. Genau diese aber, darin sind sich dann doch alle einig, garantiert dem Film nun gute Oscar-Chancen". (Süddeutsche.de vom 17.05.2010)