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Aus dem Brigadetagebuch einer HO-Gaststätte

Bis auf den allerletzten Platz besetzt war das Glashaus am Samstag zur Lesung der Schwestern Gabriele Chiteala (Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, Berlin) und Prof. Angelika Pleger.

Die beiden hatten im Nachlass ihrer Mutter (Hilde B., Jahrgang 1921, gestorben 2010) Tagebücher gefunden, die den beruflichen Alltag in der DDR beschreiben. Die Mutter war damals Anfang 50 und alleinerziehend, sie arbeitete direkt am S-Bahnhof Berlin/Buch in einer HO-Gaststätte.

Nach vielen erfolgreichen Auftritten nun also bei uns im Glashaus.

 

Ein paar fotografische Erinnerungen werden anfangs per Beamer gezeigt. Dann schon geht es los mit den kurzweiligen Einblicken aus dem DDR-Alltag des Jahres 1974. Wohl die meisten der Anwesenden werden sich in diesen Erzählungen schnell wiedererkennen. An die freiwilligen Arbeitseinsätze, wie den gemeinsamen Frühjahrsputz ("... schön, dass sich sogar jemand fand, die schweren Übergardinen zu waschen"). An die kollektiven Besuche von Theateraufführungen, die auch vor der Oper nicht halten machten (" ... zu erwähnen ist noch unser Theaterbesuch La Bohéme und Kabale und Liebe: alle Kollegen waren schwer beeindruckt"). Oder auch die monatlichen Brigadesitzungen ("... in der letzten Sitzung hatten wir zwei Themen: den Waffenstillstand in Vietnam und die Renovierung unseres Ladens ..."). Die Brigade jedenfalls hatte wohl alles "richtig" gemacht:  Im Tagebuch eingelegte Urkunden künden davon und von den "hervorragenden Leistungen beim Aufbau des Sozialismus".

Die eingespielten Tonkonserven ("Heut ist wieder Vollmond", "Du hast den Farbfilm vergessen" und viele andere) und natürlich die von Gabriele Chiteala mit Gitarre vorgetragenen Lieder ("Es brennt der Wald", "Auf der Wiese haben wir gelegen" und weitere) runden die Lesung genauso ab, wie die das Tagebuch ergänzenden Einordnungen und Erklärungen von Angelika Pleger und ihre kleine Auswahl von politischen Witzen. So wurde beispielsweise "Meinungsaustausch" wie folgt beschrieben: "Wenn du mit deiner Meinung zum Parteisekretär gegangen und mit seiner Meinung wieder rausgekommen bist". So manches Mal war man beim Zuhören geneigt, den Witz auf die heutige Zeit zu übertragen.

Es gab viel zu lachen und zu erinnern! Und so konnte sich Gudrun Engelke, die die Veranstaltung als Mitglied des Glashausvereins organisiert hatte, am Ende der Veranstaltung bei beiden ganz herzlich für ihren gelungenen Vortrag bedanken.

 

Text | Fotos: Jürgen Naß

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